Das Publikum in einer Wagschaale muß allezeit den Apoteker in der andern in die Höhe ziehen.

Art. 181 der münsterischen Medizinalordnung vom 14. Mai 1777

Für den Apotheker war seit den Anfängen seiner Kunst die Waage ein unersetzliches Arbeitsgerät. Beim Abwiegen der hochwirksamen – teilweise gar giftigen – Substanzen war absolute Zuverlässigkeit und Präzision unerlässlich; jeder Fehler konnte im Extremfall tödlich sein.

Von Beginn an dominierte der Typ der zweiarmigen Balkenwaage. Zum Abmessen größerer Mengen wurden Standwaagen verwendet. Im 17. und frühen 18. Jahrhundert war die barocke Standsäule oft aufwändig gestaltet, gewunden oder in Form einer Figur. Manchmal besaß sie einen Kastenunterbau mit Schubladen, in denen die Gewichte oder kleine Gefäße aufbewahrt wurden. Waagbalken und Waagschalen waren vorwiegend aus Bronze, Messing, Kupfer oder Eisen.

Im Klassizismus des späten 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts wurde grundsätzlich die Standsäule schlichter, wohingegen im späteren 19. Jahrhundert wieder reich geschmückte historistische Exemplare in die Apotheken kamen.

Zumeist hatte der Apotheker jedoch sehr kleine Mengen abzuwiegen, und dafür nutzte er eine Handwaage, die zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten wurde; dabei fungierte statt der Standsäule die eigene Hand als Aufhängevorrichtung für den Waagbalken. Gelegentlich verfügten die Rezeptiertische auch über einen schmiedeeisernen Aufsatz mit entsprechenden Haken, an denen die Handwaagen ebenfalls aufgehängt werden konnten.

Der Wunsch nach noch mehr Präzision führte schließlich zur Entwicklung der hochsensiblen Analysewaage, die zum Schutz vor störenden Umwelteinflüssen in einem Glaskasten untergebracht wurde. Im 20. Jahrhundert setzte sich schließlich die elektronische Waage und dann die Digitalwaage durch.

Ohne genau geeichte Gewichte wäre aber die präziseste Waage nutzlos gewesen. Daher bildete sich bereits im Mittelalter das so genannte „Apothekerpfund“ (= Medizinalpfund) als Gewichtseinheit heraus. Lange war dieses allerdings eine regional unterschiedliche Einheit. In der einflussreichen Handelsstadt Nürnberg wurde es 1555 geeicht auf heutige 357,8282 Gramm (unterteilt in 12 Unzen = 96 Drachmen = 288 Skrupel = 5760 Gran). Nach und nach setzte sich das verlässliche Nürnberger Apothekenpfund in immer mehr Städten und Kleinstaaten des Deutschen Reichs durch. Zur landesweiten Vereinheitlichung kam es jedoch erst in Bismarcks Nationalstaat 1872 mit der Einführung des Dezimalsystems (1 Pfund seither einheitlich 500 g).

Die zumeist rechteckigen Gewichte wurden in speziell angefertigte Holzkästen oder Spanschachteln eingelegt. Daneben gab es ab etwa dem 16. bis ins 19. Jahrhundert hinein auch Einsatz-Gewichtssätze aus Bronze oder Messing mit teilweise sehr auffällig skulptiertem Scharnierdeckel. Im Inneren des Gewichts-„Hauses“ befinden sich die Einzelgewichte („Schüsseln“, „Becher“) ineinandergestapelt, wobei jedes das Doppelte des nächst Kleineren wiegt. Die Untereinheiten lassen sich jedoch oft nicht mit dem Apothekerpfund in Einklang bringen, so dass dann davon auszugehen ist, dass diese „nested cup weights“ in Apotheken normale Handelsgewichte für Begleitwaren des nichtpharmazeutischen Sortiments waren (beispielsweise Gewürze).

Aufgrund ihrer Attraktivität für Sammler wurden historische Einsatzgewichte häufig gefälscht; zur Unterscheidung von geeichten Originalen bedarf es teilweise außerordentlicher Expertise. Die meisten in Umlauf befindlichen Exemplare stammen – vor allem, wenn sie vollständig sind – aus dem 20. Jahrhundert.