Opium heilt alles – außer sich selbst

Im heutigen Vortrag behandelten wir eines der ältesten Arzneimittel der Menschheit – und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein auch das einzig wirksame Schmerzmittel, über das man verfügte: Opium. Erst mit der Isolierung des Alkaloids Morphin aus dem getrockneten Milchsaft des Schlafmohns (= Roh-Opium) hatte man den eigentlichen Wirkstoff gefunden und konnte beginnen, Alternativen zu entwickeln. Auf der Suche nach einer Substanz, die die Opioid-Rezeptoren des zentralen Nervensystems ähnlich effizient bespielen kann wie Morphin, ohne jedoch abhängig zu machen und unerwünschte Nebenwirkungen zu entfalten, beschritt man einige Irrwege. Heroin und Oxycodon sind berühmte Beispiele – letzteres löste u. a. die immer noch anhaltende Opioid-Epidemie in den USA aus.

Opiumvortrag

Die Geschichte des Opiums beginnt mit dem Schlafmohnanbau, wahrscheinlich bereits 6000 vor Christus – die ältesten echten Funde stammen aber von der Pfahlbaukultur am Bodensee. Von der Jungsteinzeit arbeiteten wir uns in der Präsentation vor bis ins 17. Jahrhundert, in dem aus Opium ein Politikum wurde. Einige bekannte und weniger bekannte Figuren der Weltgeschichte traten auf und gerieten – wörtlich oder metaphorisch – unter den Einfluss der Rauschdroge, bis im 19. Jahrhundert endgültig ein Volksmedikament daraus wurde. Dank der Industrialisierung wurde es erstmals möglich, ganze Gesellschaften damit zu „versorgen”.

Anschließend machten wir einen Exkurs in unser zentrales Nervensystem, um uns anzuschauen, wie Morphin eigentlich wirkt und mit welchen anderen Opioiden – auch den körpereigenen – es konkurriert. Einige unserer klassischen Museumsexponate helfen bei der Veranschaulichung, andere haben wir extra für diesen Vortrag besorgt: beispielsweise Kapseln und Samen aus dem Schlafmohnanbau im Kalletal. Womit wir auch schon beim zweiten Teil des heutigen Events angekommen waren, nämlich der Präsentation von Mohngewächsen im Garten.

Außenpräsentation Mohn

„Mohngewächse“ (Papaveraceae) umfassen rd. 800 Arten – davon gehören zur Gattung „Mohn“ im engeren Sinne (Papaver) nur rd. 70-120. Eine davon ist der Türkische Mohn (Papaver orientalis), der vor rd. 4 Wochen spektakulär 1 m hoch bei uns im Garten stand und mit seinen kräftigen orangeroten Blüten begeisterte. Jetzt sind nur noch das Kraut und die vertrockneten Kapseln übrig geblieben – ihr getrockneter Milchsaft ist kein Opium, sondern enthält nur Thebain als Opiat, jedoch zu einem unergiebigen Anteil von 3 %. Anders sieht aus aus beim sehr ähnlichen, im vorderen Orient angebauten Arzneimohn (Papaver bracteatum) mit knallroten Blüten, dessen Milchsaft bis zu 27 % Thebain enthält; aus dem isolierten Thebain, das für sich genommen pharmazeutisch wertlos ist, werden durch spezielle chemische Verfahren mehrere Opioide als starke, teilweise problematische Schmerzmittel synthetisiert, u. a. das bereits erwähnte Oxycodon.

Die Familie der Mohngewächse zeichnet sich durch mehrere botanische Kriterien aus, die zusammenfallen müssen, um in diese Familie eingeordnet werden zu können: Krautige Pflanzen, ein- oder mehrjährig, mit Milchsaft, der Alkaloide enthält, mit wechselständigen Blättern ohne Nebenblätter, zwittrige Blüten mit 4 Kronblättern, Kapselfrüchte oder Schoten. Diese Kriterien treffen außer auf Mohn im engeren Sinne auch auf mancherlei Gattungen zu, die sowohl „Mohn“ heißen als auch wie Mohn aussehen, ohne botanisch Papaver zu sein (z. B. Kappenmohn, Scheinmohn, Hornmohn), als auch solche, die weder Mohn heißen noch so aussehen, aber dennoch die Familien-Kriterien erfüllen (z. B. Herzblume, Lerchensporn, Erdrauch). Auch das gelb blühende Schöllkraut mit seinem orangerotem Milchsaft, der volksheilkundlich traditionell gegen Warzen eingesetzt wurde, gehört dazu – dieses haben wir in unserem allseits bewunderten Giftbeet vorzuzeigen.

Zurück zum Schlafmohn: Der Same des so genannten Bäckermohns – aus morphinarmen Züchtungen, die auch Blaumohn genannt werden – ist der Stoff, der auf die Mohnbrötchen gestreut wird und aus dem auch der Mohnkuchen und die Mohnplätzchen gebacken wurden, die wir zu unserer abschließenden Verkostung anzubieten haben. Dieser Same für sich genommen enthält überhaupt kein Morphin. Dennoch kann es im Ernteprozess regelmäßig zu Verunreinigungen mit dem Milchsaft kommen, die früher nicht beachtet wurden. Zu DDR-Zeiten war insbesondere in grenznahen Gebieten polnischer (schlesischer) Mohn, dessen Morphingehalt nicht kontrolliert wurde, als Backzutat sehr beliebt. Mohn macht doof – so lautete deshalb eine überkommene familiäre Devise! Seit Juli 2022 gelten aber in der EU einheitliche Höchstgehalte für alle Opiate in Mohnerzeugnissen, die nicht überschritten werden dürfen. In Deutschland hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sogar für das Morphin einen noch strengeren Richtwert von 4 mg/kg Mohnsaat empfohlen. Ohnehin dürfen nur noch Sorten mit einem Morphingehalt im Milchsaft von unter 0,02 % angebaut werden, und 90 % des Morphins werden beim Backen durch die Erhitzung zerstört.

Alle unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer verabschiedeten sich gesund und ohne Rausch! Auf ein baldiges Wiedersehen freuen wir uns.

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