Glasflaschen

Dannenhero müssen es diejenigen, die es aufheben wollen, in eine wohlverstopfte gläserne Flasche thun, daß keine Luft dazukomme.

Pierre Pomet in: Neu-Eröffnetes Materialien- und Naturalien-Magazin, Leipzig 1727

Glasgefäße als Salbenfläschchen gab es schon im alten Ägypten und in der Antike. Im Frühmittelalter geriet die Kunst der Glasherstellung dann in Vergessenheit und wurde erst im 11. Jahrhundert in Venedig wiederbelebt. Mit dem Aufkommen der ersten Waldglashütten in Thüringen, Sachsen und Böhmen im 12. Jahrhundert erschien das Glas auch im heutigen Deutschland. Zu Beginn, als es noch keine saubere Trennung zwischen Arzneivertrieb und Krämerladen gab, waren die ersten groben Gefäße aus grünem Waldglas noch undekoriert und unbeschriftet. Aus Abbildungen in Holzschnitten wissen wir, dass sie zur Kennzeichnung des Inhalts mit einem locker umgehängten Schriftband versehen waren.

In der Apotheke wurden Glasgefäße seit dem frühen 16. Jahrhundert zur Aufbewahrung flüssiger Substanzen und Pulver aller Art eingesetzt. Zur Aufbewahrung von Arzneien war Glas sehr praktisch, weil es nicht mit den Substanzen chemisch reagierte, leicht zu bemalen und zu beschriften war und wegen der Durchsichtigkeit dem Apotheker stets erlaubte, den Vorratsbestand zu kontrollieren.

Bis ins 17. Jahrhundert war Glas allerdings noch zu teuer, um allgemein in Apotheken Verbreitung zu finden, und dementsprechend selten – und ungewiss – sind die noch erhaltenen Beispiele. Erst im 18. Jahrhundert, als der Apotheker ins städtische Patriziat aufstieg, wurde es für die Inhaber interessant, bei der Einrichtung der Offizin das Nützliche mit dem Dekorativen zu verbinden. Bei Hofe und in Klöstern gab es zu Beginn des 18. Jahrhundert schon prunkvoll mit farbenprächtigen Gläsern ausgestattete Apotheken. Diesem Vorbild strebten auch bürgerliche Apotheken nach.

In Gebrauch waren in der Offizin zumeist kleinere Gefäße von deutlich unter 20 cm Höhe. Es dominierten Vierkant-Gefäße entweder mit weiter Öffnung (so genannte „Weithalsgläser“) für Pulver, Drogen und Gewürze oder mit schmal zulaufendem Hals („Enghalsgläser“) für Flüssigkeiten. Gelegentlich tritt das so genannte „Nönnchen“ auf, ein kleineres Fläschchen mit bauchiger Wandung auf angesetzter Fußscheibe und mit eingeschnürtem langen Hals. Seltener sind rund geschliffene Glasflaschen, Glasbecher mit Fuß, Zylindergläser oder Sechskant-Gefäße.

Abgedeckt wurden die Flaschen und Enghalsgläser mit Korken oder Glasstopfen und die Weithalsgläser ebenfalls mit Korken oder mit Tektur – ein mit einem Faden um den Hals festgebundenes Stück Leder, das allerdings meist nicht im Original erhalten ist.

In der Regel sind die Dekore in Email-Malerei – auch Schmelzmalerei genannt – ausgeführt. Hierzu wurden Metalloxidfarben mit einem Pinsel auf die Oberfläche des fertigen Glases aufgetragen, dieses dann nochmals erhitzt und die Farben eingeschmolzen. Davon zu unterscheiden ist die weniger aufwändige, aber auch unbeständigere Kaltmalerei. Hier wurden Lack- oder Ölfarben auf Harzbasis bei der Bemalung verwendet, ohne dass eine Einbrennung nötig war.

Apothekengläser gab es grundsätzlich nur, wo es auch Glashütten gab – sie fehlten darum in Norddeutschland, Pommern und Ostpreußen. Lange Transportwege waren aufgrund des kleinteiligen Zollwesens nicht rentabel.

Bürgerliche Apotheken konnten sich im 18. Jahrhundert meist nur das so genannte „Standarddekor“ leisten: Ein einfacher, meist blauer Blätterkranz, der die beschriftete weißgrundige ovale oder kreisförmige Kartusche umrahmte, gelegentlich durchsetzt von stilisierten roten oder gelben Blüten. Findet sich eine goldgelbe Krone obenauf, so handelt es sich um eine vom Landesherrn privilegierte Apotheke (nicht zwingend gleichbedeutend mit einer Hof-Apotheke). Diese Gläser wurden in großer Zahl von den Glashütten vorgefertigt, und die Apotheker reichten lediglich eine Liste mit Substanzen ein, um die gewünschten Beschriftungen zu bestellen.

Reiche privilegierte Apotheken konnten sich indes ein aufwändiges individuelles Dekor leisten. Der Phantasie des Apothekers waren dabei keine Grenzen gesetzt. Dennoch können wir in vielen Fällen die zugehörige Apotheke heute nicht mehr identifizieren, und auch die Glashütten sind nur in Ausnahmefällen bekannt, denn sie signierten ihre Produkte nicht.

Ende des 18. Jahrhunderts werden die barocken Dekore abgelöst durch den so genannten Zopfstil: statt Rocaillen, Ranken und Blüten gab es geometrische Umrahmungen mit Punkten oder Bändern sowie Hängegirlanden und Schleifen. Zur Biedermeierzeit (um 1815 bis 1850) war die Kartusche entweder oval oder ein spitzbogiges Wappenschild, wie wir es von den Holzdosen her kennen. Als neue Form kommen zusätzlich ovale Flaschen auf. Im 20. Jahrhundert ist die Zeit der dekorierten Glasstandgefäße dann endgültig vorbei.


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