Sommerkräuterführung

Es ist mal wieder soweit – am Freitag Nachmittag (30. Juni) öffnen wir erneut die Pforten zu unserem Naturgarten, um zusammen mit Kräuterfee Sieglinde Schuster-Hiebl – PTA, Gesundheitsberaterin und Naturpädagogin – unsere mittlerweile blühenden Arzneipflanzen zu präsentieren und ihre Verwendungsmöglichkeiten kennenzulernen. Leider ist uns auch diesmal – wie schon bei unserer Frühlingsführung Anfang Mai – der Heilige Petrus nicht wohlgesonnen und schickt fiese Regen-Schnüre, auch mal durchsetzt von Blitz und Donner vom Himmel; im wahrsten Sinne des Wortes sehen wir schon die Felle davonschwimmen, und doch – alle Achtung! … kaum Ausfall gegenüber den zahlreichen Anmeldungen, denn einige wissen schon, dass es unter Glas-Vordach und Riesen-Schirm eine Unterstellmöglichkeit auf unserer Terrasse gibt.

Vor dem Event kann jeder noch einmal kurz ins Museum schauen und, soweit noch nicht bekannt, Fragen stellen zur allgemeinen Historie und zu unseren Exponaten an pharmazeutischen Standgefäßen und Arbeitsgeräten vom Mittelalter bis in die 1960er Jahre. Holzdosen des 18. und des 19. Jahrhunderts finden besonderes Interesse – in ihnen wurden schließlich (vor allem im waldreichen Deutschland und Österreich) bevorzugt phytotherapeutische Arzneidrogen wie Kraut, Blätter, Blüten, Früchte, Wurzeln oder Mischungen davon aufbewahrt. Sofern noch mit Inhalt, wird dieser durch Teilnehmerinnen vom Fach leicht erraten: Pfefferminze, Schafgarbe, Nelken, Kardamom u.a. behielt in den Dosen ihr Aroma wie vor mehr als 100 Jahren …

Nun aber hinaus auf die Terrasse – wir besprechen bevorzugt, was wir von der Überdachung aus sehen können, haben auf unserem Präsentationstisch die im durchnässten Gelände wachsenden Pflanzen aber auch noch einmal handlich in bunten Sträußen zusammengefasst.

Tischaufbau Sommerkräuter

Beginnen wir mit einem Klassiker in diesen hellen Tagen der Sommersonnenwende: Dem Johanniskraut. Davon gibt es ca. 300 Arten – dass am Teich das Echte (Hypericum perforatum) blüht, können wir durch unverwechselbare botanische Merkmale beweisen: Stängel innen hart, starr und markgefüllt (daher auch „Hartheu“ genannt), die ovalen Blättchen sind durchscheinend drüsig punktiert wie kleine Nadelstiche (daher perforiert). Im Regen können wir die rote Farbe des austretenden Hypericins beim Zerreiben der Blüten zwar nicht so gut demonstrieren wie das Schulbeispiel es verlangt, anhand eines Fläschchens Rot-Öl, das eine regelmäßige Teilnehmerin unserer Events (heute leider verhindert) hergestellt hat, jedoch erklären. Rezepturen des Wund-Öls werden diskutiert – mit Olivenöl ansetzen und in die pralle Sonne stellen? (So war es einst im Ergänzungsband zum Deutschen Arzneibuch Nr. 6, gültig bis 1968, festgeschrieben), oder eher mit einem geschmacksneutralen Sonnenblumen- oder Raps-Öl in Bio-Qualität schattig extrahieren? (so lauten heutige, auf Erfahrung beruhende Empfehlungen). Apotheken führen auch Teedrogen, Flüssigextrakte / Tinkturen (in der Homöopathie auch auf frischer Kräuter-Basis beruhende Ur-Tinkturen) sowie Frischpflanzen-Presssaft. Neben den traditionellen, volksmedizinisch überlieferten äußeren Anwendungen gegen Hautentzündungen, Sonnenbrand, Insektenstiche und Gelenkschmerz sowie innerlich gegen Erschöpfung, mentale Verstimmungen, Angstzustände und nervöse Unruhe sind heute auch hochwirksame Fertigarzneien gegen leichte und mittlere Depressionen im Einsatz. Teilnehmerinnen vom Fach wissen von Nebenwirkungen (Allergien und phototoxischen Reaktionen) bei Überempfindlichkeit gegen diese Medikamente zu berichten.

Johanniskraut
Echtes Johanniskraut (Hypericum perforatum)

Und was gibt’s sonst noch? Wir erklären alles, was Interesse weckt, z.B.

  • Baldrian wächst am Teich spektakulär hoch und blüht in weißer Schirmrispe. Traditionell wird geschnittene Baldrianwurzel (Radix valerianae) – als Teedroge, verarbeitet zu Flüssigextrakt / Tinktur, Frischpflanzenpresssaft und zu ätherischem Öl destillliert – zur Behand­lung leichter stressbedingter Symptome und als Einschlafhilfe eingesetzt. Einige Trockenextrakte in Tabletten und Dragees erhielten sogar eine weitergehende medizinische Anerkennung gegen Schlafstörungen. Eine kleine Probe, getrocknete und gechnittene büschlig-dürre Wurzelhaare der Vorjahrespflanzen, reiche ich herum.

  • Der fast 70 cm groß gewordene Salbei, den wenige Teilnehmerinnen von der Frühjahrsführung schon kennen, steht in der Endphase ihrer blaulila Blüte. Von den ca. 800 Arten interessiert den Apotheker nur der in unserem Hochbeet wachsende Echte (Salvia officinalis), der auf der Balkanhalbinsel – ursprünglich Dalmatien – heimisch ist sowie der stärker weißfilzig behaarte Dreilappige (Salvia fruticosa) griechischer Herkunft. Salbeiblätter enthalten wie viele Lippenblütler ein ätherisches Öl mit einem aromatischen Geruch, außerdem Gerbstoffe und Flavonoide. Auf dem Präsentationstisch stehen die selbst gesammelte Teedroge, Salbei-Auszugsöl und Tinktur. Salbeiblätter sind als traditionelles phytotherapeutisches Arzneimittel anerkannt, innerlich als Tee oder Tropfen gegen Magen-Darm-Beschwerden, Sodbrennen, übermäßiges Schwitzen und Hitzewallungen, äußerlich zur Beigabe ins Gurgelwasser bei Entzündungen und Infektionen der Mundschleimhaut, des Zahnfleischs und der Rachenschleimhaut.

  • Die Himbeere (Rubus idaeus) seitlich neben dem Teich ist auf den ersten Blick unspektakulär – jeder weiß, wie die süßen roten Früchte frisch, im Kuchen oder Dessert schmecken, viele haben schon einmal Marmelade oder Gelee gekocht, Grütze oder Saft fabriziert. Himbeersirup in der Apotheke war einst für Kinder unabkömmlich, um bittere Arznei überhaupt verabreichen zu können. Was nur die Teilnehmerinnen vom Fach wissen: Offizinell an der Himbeere sind nicht die Früchte, sondern die an Gerbstoffen reichen Blätter. Wir präsentieren die korrekt im Frühsommer vor der Blüte gesammelten, getrockneten und geschnittenen Blätter in einer für die 1960er Jahre typischen cremeweiß lackierten Weißblechdose (so genannte Horo-Dose) mit der Etikettierung Folia rubi idaei. Basierend auf langjähriger Erfahrung hat die Phytotherapie Himbeerblättertee innerlich anerkannt gegen leichte menstruationsbedingte Krämpfe und Durchfälle sowie äußerlich als Spülung bei leichten Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Die Wirksamkeit einer volksmedizinischen Überlieferung zur Anregung der Wehentätigkeit und insoweit Geburtshilfe konnte nicht bestätigt werden.

  • Blühender Frauenmantel umrahmt großzügig den Teich. Ihr botanischer Name „Alchemilla“ – „Kleine Alchemistin“ – erklärt sich durch die kristallklaren Wassertropfen, die nach feuchten Nächten regelmäßig in der Früh auf den Blättern zu finden sind – kein Tau, sondern von der Pflanze selbst ausgepresstes überschüssiges Wasser. Dieses regte einst, als man von Guttation noch nichts wusste, die Phantasie der Alchemisten auf der Suche nach dem Stein des Weisen an. Das Gerbstoffe enthaltende Frauenmantelkraut wurde in der Volksmedizin unterstützend bei unspezifischen Durchfällen, bei Magen-Darm-Beschwerden und bei Menstruationsschmerzen verwendet – erhältlich sind Tees, Tinkturen und Öle. Meine Anschauungs-Teedroge ist leider nur eine nette „Atrappe“: Denn bei mir wächst eine vermutlich aus einer Anpflanzung verwilderte Garten-Sorte, der Weiche Frauenmantel (Alchemilla mollis), spektakulär fast einen halben Meter hoch mit gigantischen rundlappigen Blättern und komplett behaart – pharmazeutisch der „falsche“! Denn für die kontrollierte Teedroge, deren Qualität im Europäischen Arzneibuch festgeschrieben ist, ist der kleinere, , unbehaarte spitzlappige Gewöhnliche Frauenmantel (Alchemilla vulgaris) zwingend vorgeschrieben. Als ich letztes Jahr im August die Blätter sammelte und trocknete, habe ich das noch nicht gewusst.

  • Unser Rosmarin (Rosmarinus officinalis) ist bereits verblüht – egal, denn offizinell an diesem im Mittelmeerraum heimischen Lippenblütler sind die harten, schmal-linealen Blätter, die wie Nadeln aussehen und unterseits weiß-filzig behaart sind. Beim Zerreiben duften sie angenehm nach dem ätherischen Öl, das sie enthalten. Rosmarinblättertee wurde traditionell innerlich zur Linderung leichter krampfartiger Magen-Darm-Beschwerden und zur Anregung des Kreislaufs eingesetzt; äußerlich nahm man das Öl als Badezusatz oder in Salben und Cremes zur Einreibung unterstützend bei leichten Muskel- und Gelenkschmerzen. Was auf dem Tisch in der braunen Flasche steht, ist nicht das flüchtige ätherische Öl (dieses müsste in mehrfacher Wasserdampf-Destillation aufwändig tropfenweise gewonnen werden), sondern ein leicht zu Hause herstellbarer Auszug der Rosmarinbätter mit Olivenöl. Vorsicht: Das ätherische Öl enthält Campher – eine nicht nur im Harz des Kampferbaums, sondern auch in vielen Lippen- und Korbblütlern sowie Lotbeergewächsen enthaltene Substanz, die bei empfindlichen Personen zu Unverträglichkeiten führen kann und in höheren Dosen sogar hochgiftig ist. Im 19. Jahrhundert hat man das noch nicht gewusst. Der Botaniker und Chemiker François-Vincent Raspail – ein Hansdampf in allen Gassen, u. a. auch Politiker – entwickelte in Paris um 1840 eine eigene Medizin für die Armen (das so genannte Système Raspail) allein mit Produkten auf Campher-Basis, mit denen er sich allerdings – da er weder Arzt noch Apotheker war – schon 1846 erstmals vor Gericht verantworten musste; sein Sohn Émile war etwas schlauer und vermarktete die Produkte nach erneuter gerichtlicher Auseinandersetzung ab 1861 als Drogerieartikel … nur ein kleiner Exkurs am Rande, da unser Museum kürzlich eine Raspail’sche Hausapotheke erwarb, Näheres nachzulesen hier.

  • In einer Schale wachsen drei Thymian-Arten: Jochthymian aus Südeuropa (Thymus zygis), Sorte „Silver“ – eine Spezialzüchtung mit feingliedrigen silbrigen Blättchen – , daneben Zitronen-Thymian (Thymus citriodonis aureus), der intensiv nach Zitrone duftet, weiß blühend mit winzigen goldenen Pünktchen an den Blättchen, und schließlich Echter Thymian (Thymus vulgaris) – nur diese aus dem Mittelmeerraum stammende rosé-lila blühende Art ist die uns allgemein bekannte Heil-und Gewürzpflanze, die ein ätherisches Öl enthält. Thymiankraut und Thymianöl sind als traditionelle pflanzliche Arzneimittel zur innerlichen Verwendung als Schleim lösende Mittel bei erkältungsbedingtem Husten anerkannt; auch die äußerliche Anwendung von Thymianöl (Einreibungen, Bäder) ist zur Linderung von Erkältungssymptomen indiziert.

  • In Sichtweite stehen zwei große Winterlinden (Tilia cordata), eine davon kurz vor dem Aufblühen, die andere in voller Blüte. Hier ist ist auf die herzförmig einge­schnittenen, oberseits glatten Blätter zu achten (im Unterschied zum beiderseits behaarten und in der Regel größeren Sommerlindenblatt). Lindenholz ist weich und lässt sich daher gut bearbeiten, zudem ist es zumindest in trockenen Räumen gut haltbar. Deshalb verwendeten es Bildhauer wie Tilman Riemenschneider und Veit Stoß gern für ihre fein elaborierten, ausdrucksvollen Skulpturen. Auch unsere Holzdosen im Museum sind teilweise aus Lindenholz geschnitzt. Pharmazeutisch lassen sich, wie uns Sieglinde erklären kann, beide Lindenarten gleichermaßen verwenden – aber nur rd. 14 Tage im Jahr, denn länger blühen sie nicht. Lindenblüten enthalten Flavonoide, Schleimstoffe, Gerbstoffe und Phenolcarbonsäuren. Lindenblütentee ist als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft; basierend auf langjähriger volksmedizinischer Erfahrung können die Blüten (inklusive Tragblätter) bei Erkältungs­krankheiten und zur Linderung leichter Stresssymptome eingesetzt werden. Auch in Kosmetika finden sie Verwendung, z. B. in Haarshampoos (machen spröde Haare weich).

Es hat aufgehört zu regnen! Welch ein Glück, denn sonst hätten wir den zweiten Teil der Führung, die uns zu mächtigen Bäumen im hinteren Teil des Gartens bringen soll, vergessen können: Voraus geht Sieglindes spannende Einführung in die Bach-Blütentherapie. Ein kleiner Blätter-Strauß auf dem Präsentationstisch hätte das Erlebnis, vor den echten Bäumen auf unserem Grund – einem kleinen naturbelassenen Areal des einstigen Unterbiberger Gemeindewaldes – zu stehen, nicht ersetzen können.

Nur für blutige Anfänger muss so eingeführt werden: Bach-Blüten haben nichts mit einem Bach und auch nichts mit Johann Sebastian Bach zu tun. Vielmehr war es der britische Arzt Edward Bach (1886–1936), der das alternativmedizinische Verfahren begründete; es beruht auf der Prämisse, dass jede körperliche Krankheit auf eine seelischen Gleichgewichtsstörung zurückgehe, die nur durch eine Harmonisierung auf dieser geistig-seelischen Ebene geheilt werden könne. Dazu definierte er 38 „disharmonische Seelenzustände der menschlichen Natur“, die für alle Leiden und Krankheiten verantwortlich sein sollen, und ordnete diesen 37 Pflanzen-Blüten zu + (Nr. 27) reines Fels-Quellwasser. Die Blüten legte er entweder in kaltes Wasser ein oder kochte sie in der Sonne. In diesem Auszugs-Prozess sollten sie ihre „Schwingungen“ (vibrations) als heilende Energie an das Wasser übertragen. Dann wurde der Auszug mit Brandy versetzt und dieses Gemisch stark verdünnt (ähnlich wie in der Homöopathie) – so wurden die 38 „Essenzen“ gewonnen. Anders als in der Homöopathie geht es bei Bach aber nicht darum, Gleiches mit Gleichem zu heilen, sondern die Essenzen sollten ein positiver Gegenpol zum negativen Gemütszustand sein, der Patient sich die Energie von den Schwingungen der Pflanze leihen.

Als Arzt und Wissenschaftler wusste Bach, dass eine Wirksamkeit der Essenzen anhand ihrer pharmazeutischen Inhaltsstoffe schulmedizinisch nicht beweisbar war, und erklärte auch ausdrücklich, gerade nicht auf diese konkreten phytotherapeutischen Inhaltsstoffe abstellen zu wollen. Vielmehr wählte er die Blüten nach langen Selbst-Experimenten „intuitiv“ aus. Z.B. Nr. 11 – die Ulme. Deren Essenz soll bei Stresszuständen durch Überforderungsgefühle, die u.a. zu Bluthochdruck und Herzproblemen führen können, helfen, indem sie die Wehrhaftigkeit und Widerstandskraft dieser Pflanze dem Zustand der ohnmächtigen Erschöpfung entgegensetzt. Das kann, wenn man sich auf diese Denkweise einlässt, nachvollzogen werden, wenn man weiß, dass schon seit 1918 die Ulme, bedingt durch die so genannte Holländische Krankheit, alle ihre Kräfte mobilisieren musste, um dem großen Ulmensterben zu entgehen.

Bachs Theorie wurde nach seinem Tod 1936 zunächst vergessen, erfuhr jedoch in den 1980er und 1990er Jahren durch mediale Verbreitung ein unvorhergesehenes Comeback. Die Nachfrage nach den Essenzen schoss in kaum mehr zu bedienende Höhen, andere Essenzen, die Bach niemals benannt hatte, fanden Einzug ins Sortiment. Sieglinde aber präsentiert in der Original-Verpackung die Komposition eines britischen Herstellers, das die 38 expliziten „flower remedies“ von Bach Stand 1936 (seinem Todesjahr) enthält.

Bachblüten
Original-Bachblüten-Set aus England

Von den Bach-Gewächsen sind die folgenden in unserem Garten zu sehen – außer der Nr. 30, von der Sieglinde einen spektakulär blühenden Zweig aus dem Umweltgarten mitgebracht hat, und der Nr. 11, die wir noch diskutieren müssen (s. u.):

Nr.BezeichnungPflanzevon Bach definierter emotionaler Zustand
3BeechRotbucheIntoleranz
11ElmEnglische UlmeGefühl, einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein
15HollyEuropäische StechpalmeHass, Eifersucht, Misstrauen
17HornbeamHainbucheMüdigkeit, aufschieben von Dingen, die getan werden müsse
22OakEicheder niedergeschlagene, erschöpfte Kämpfer, der nie aufgibt
23OliveÖlbaumtotale Erschöpfung von Körper und Geist
30Sweet ChestnutEsskastanie / Edelkastanietiefste Verzweiflung
32VineWeinrebeDominanz und Rücksichtslosigkeit
33WalnutWalnussSchutz vor Veränderungen und ungewollten Einflüssen
37Wild RoseHecken-RoseTeilnahmslosigkeit, Apathie, Resignation

Manche Zusammenhänge klingen nur bedingt verständlich – wir können Edward Bach nicht mehr fragen, wie er gerade auf diese konkreten Zuordnungen gekommen ist. Warum steht z.B. gerade die Rotbuchenblüte für Toleranz und Güte und soll strengen, intolerant-verstockten, engstirnig denkenden Menschen, deren Schwierigkeit, sich mental zu bewegen, u.a. mit Magen-Darm-Störungen in Verbindung gebracht wird, positive Kraft zur Öffnung festgefahrener Denkmuster und damit Beruhigung des Verdauungstrakts verhelfen? Hier muss man auf der feinstofflichen Seelen-Ebene vermutlich mehr erfühlen als wirklich wissen. Böse Zungen mögen behaupten, neben dem Placebo-Effekt sei nur der Alhokol hier wirksam … wie auch immer, ob man nun daran glaubt oder nicht, die spannende Heilweisen-Philosophie lohnt sich für Interessierte zu studieren, und anschauliche Bücher sind darüber geschrieben worden (Mechthild Scheffer, Bach Blütentherapie, Theorie und Praxis; Ute York, Bach-Blüten Therapie für Körper und Seele). Einig sind sich Befürworter darin, die Bach-Blüten-Therapie bei Krankheitszuständen keineswegs alleinstehend für wirksam zu deklarieren, sondern als Behandlung für die Seele ergänzend zu den schulmedizinischen Maßnahmen zu empfehlen.

Gehen wir wieder auf etwas Konkretes … suchen wir die Bäume im Garten. Rotbuche, Stechpalme, das Mini-Olivenbäumchen, Wildrose (hier: die sensationelle Büschelrose im Hauseingang- Rosa multiflora) und Weinrebe sind puppeneinfach. Bei der Walnuss ist Nachhilfe gefragt, die Hainbuche nicht ganz einfach, da der Baum im hinteren Garten im Gegensatz zu einem schönen Exemplar, das nur von der Straße sichtbar ist, keine Früchte trägt. Aber wo ist die Ulme? In dem kleinen, seit einem Jahrhundert unveränderten Unterbiberger Gemeindewald-Relikt, das vier Generationen Mayring seit dem Kauf durch den Urgroßvater 1915 nicht gerodet haben, heißt es ca 30 m durchs Gebüsch kriechen und über Wurzeln staksen. Und da windet sie sich in die Höhe … ein stattliches verzweigtes Exemplar, dem das große Ulmensterben noch nichts anhaben konnte. Enttäuschung auf den ersten Blick: Die Blätter sehen ja wie bei der Hainbuche aus … (Früchte wären einfacher zu erkennen). Nein, nicht doch. Deren Blattstiel ist länger, das Blatt auf der Oberseite glänzend, unterseits heller und auf den Nerven leicht behaart. Und nun die Ulme: Blätter fast sitzend, Blattbasis asymmetrisch, charakteristisch schlanke aufgesetzte Spitze, Oberseite durch Borstenhaare sehr rauh. An einigen Blättern erkennen wir mehrere Zipfel! Diese Merkmale sprechen für eine Berg-Ulme (Ulmus glabra). Diese aber ist pharmazeutisch zu nichts zu gebrauchen und hilft auch nach Bach nicht gegen das Gefühl, einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Die am unteren Rand stark asymmetrischen Blätter der schleim- und gerbstoffreichen Feldulme hingegen (Ulmus minor) haben immer nur eine Spitze und glänzen. Von diesem weitgehend vom Ulmensterben dahingerafften Baum wird in der Volksmedizin die Rinde im Gurgelwasser gegen entzündete Mund- und Rachenschleimhaut sowie als Teedroge gegen Durchfall eingesetzt. Bach hat mit seiner „elm“ (Nr. 11) aber noch eine andere Art gemeint – die mit ebenfalls ulmus minor (aber in der Variante vulgaris, früher procera) bezeichnete, der Feldulme verwandte Englische Ulme. Die aber wächst bei uns nicht und lassen wir jetzt außen vor, sonst wird es definitiv jetzt auch zuviel an Botanik.

Ulme
Berg-Ulme (Ulmus glabra) auf unserem hinteren Grund

Jedem, der es genauer wissen will, empfehle ich wärmstens die Fachkunde bei Pflanzenlust und Gundermann – mein Gundermann im Garten ist verblüht, die Pflanzenlust aber ungebremst – sie „lässt unser Wissen aufblühen“, wenn man die Natur liebt und von ihr etwas lernen möchte. Bach konnte nichts mit dieser Delikatesse am Wegesrand, die wir im Mai ausführlich besprochen haben, anfangen.

Es fängt wieder an zu regnen, und wir beeilen uns, uns unter Bachblüten-Baum Nr. 22 – einer mächtigen Stiel-Eiche – unterzustellen. Respekt löst sie aus, diese Eiche … so ein Baum kann schließlich 1000 Jahre alt werden, so strotzt er vor Symbolik in Geschichte, Kunst und Philosophie. In der germanischen Mythologie ist die Eiche dem Donnergott Thor / Donar geweiht, der mit einem Ziegenkarren über den Himmel fährt und damit Donner auslöst und Blitze zur Erde schickt. Davon haben wir heut schon genug gesehen …

Pharmazeutisch anerkannt an der Eiche sind allerdings nicht die Blüten, sondern die an Gerbstoffen reiche Rinde (Quercus cortex), Verwendet wurde sie – bevorzugt von den jungen Zweigen oder Stockausschläge – schon in der Volksmedizin, äußerlich für Vollbäder oder Umschläge bei entzündlichen Hautleiden, als Abkochung auch im Gurgelwasser bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Innerlich kam sie als Tee als Adstringens gegen Durchfall zur Anwendung.

Ehrfurchtsvoll fahren wir über die kräftige, zerfurchte Borke. Wie kam diese bloß zustande? Die hat der zornige Teufel mit seinen Krallen geritzt, weil er die Seele eines schlauen Bäuerchens nicht bekommen hat. Der erschöpfte Kämpfer hat nicht aufgegeben.

Nicht nur Botanik – auch diese wunderbare Geschichte habe ich bei Pflanzenlust und Gundermann gelernt. Der rechte Abschluss für heute! Im Herbst sehen wir uns wieder – und vielleicht ist uns ja dann zur Belohnung auch der Petrus mal hold.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert