Doppelgänger

Emailbemalte Vierkantflaschen aus dem 18. Jahrhundert sind die Klassiker unter den Apothekengefäßen des deutschsprachigen Raums. Obwohl Serien bis zu mehreren hundert Stück pro Apotheke benötigt wurden, war die Herstellung reine Handarbeit. Die Flaschen wurden also mundgeblasen und von spezialisierten Glasmalern mit Schmelzfarben dekoriert und beschriftet.

Exponat: Glasflasche Ω 🜕 Dulc
Das Corpus Delicti

Dementsprechend kann es auch keine zwei absolut gleichen Exemplare geben und bei Auftauchen eines Duplikats ist immer Vorsicht geboten. Denn eine zweite Ausfertigung ergab nur Sinn bei Bruch oder Verlust des ursprünglichen Gefäßes. Eine zufällig identische Bestellung durch einen zweiten Apotheker kann bei apothekenindividuellen Dekoren natürlich ausgeschlossen werden. Beim Standarddekor hingegen sollte man die Gebräuchlichkeit von Form und Beschriftung betrachten. Genau dieser Fall trifft auf unser Exponat “Ω 🜕 Dulc” zu, eine nur 11,5 cm hohe Vierkantflasche für versüßten Salpetergeist. Diese aus Salpetersäure und Weingeist hergestellte, ätherisch riechende und süßlich-brennend schmeckende Flüssigkeit war durchaus verbreitet. Auch die Schreibweise mit den beiden alchemistischen Zeichen für Geist und Salpeter ist von anderen Flaschen bekannt – jedoch mit mancherlei Unterschieden bei den Maßen.

Umso größer war daher unsere Überraschung, als wir im Buch “Apotheken-Gefäß-Sammlung Roche in Grenzach-Wyhlen” blätterten und dort unter der Inventarnummer D94a eine auch in Form und Größe praktisch identische Flasche entdeckten. Dekor und Beschriftung stimmen, soweit man dies auf dem kleinen Foto erkennen kann, ebenfalls überein.

Wir haben natürlich sofort an die Zweigstelle der Firma Roche in Grenzach-Wyhlen geschrieben mit der Bitte um Informationen und ein höher aufgelöstes Foto. Jedoch gelang es uns nicht einen Ansprechpartner für die Sammlung ausfindig zu machen. Möglicherweise wurde sie zwischenzeitlich verkauft, dann könnte es theoretisch sein, dass unser Objekt genau das aus der Sammlung Roche (ehemals Sammlung Michaelis) ist. Wahrscheinlicher ist aber, dass es sich um einen echten Doppelgänger handelt, dessen Existenz man erklären müsste.

Dabei erscheint es schwer vorstellbar, dass zwei so ähnliche Flaschen gar nichts miteinander zu tun haben sollen. Denkbar wäre vielleicht, dass es wegen der kleinen Fehlstelle im Email (rote Blüte rechts) eine Reklamation gab oder die Glashütte von selbst einen zweiten Versuch unternahm. Und natürlich steht auch immer das Thema Fälschung oder Replik im Raum. Wenn einer unserer Leser Informationen zum Verbleib der Sammlung Grenzach-Wyhlen hat, dann würden wir uns über entsprechende Hinweise sehr freuen.

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