Wiedersehen macht Freude

Große Überraschung im Apothekarium: Besucher des Museums brachten uns fünf französische Apothekengefäße aus dem ehemaligen Besitz von Valentin Arnold Mayring. Eine Verwandte des Ehepaars hatte die Standgefäße vor Jahrzehnten in der Hubertus-Apotheke gesehen und sie Valentin Mayring abgekauft. Nun konnten wir die zur Theaterdekor-Serie zählenden Gefäße wieder zurückkaufen und damit unsere größte Serie französischer Porzellangefäße weiter ausbauen. Jetzt können wir ein ganzes Abteil unserer Schrankwand mit dieser Serie befüllen.

Vier große und ein kleines Standgefäß bringen unseren Gesamtbestand auf 21, davon 15 mit Höhe 27-28 cm und 6 mit Höhe 24,5 cm. Die nicht genau gleich großen Gefäße und durchaus unterschiedlich geformten Kissendeckel zeugen von einem erheblichen Anteil an Handarbeit.
Exponat: Porzellangefäß RAD: VALERIAN:
Theaterdekor von Henri Vignier

Fraglich bleibt aber immer noch die Herkunft dieser Serie, denn eine Bodenmarke oder andere Bezeichnung ist nirgendwo auszumachen. Wir haben allerdings zwei andere Standgefäße mit der Manufakturmarke von Henri Vignier, die einen sehr ähnlichen Dekor aufweisen und auf den Zeitraum 1849-1868 eingegrenzt werden können. Dementsprechend ist die Versuchung groß unsere sehr ähnlichen Gefäße ebenfalls Henri Vignier zuschreiben. Dies wäre jedoch bei französischen Porzellangefäßen des 19. Jahrhunderts nicht seriös, denn erfolgreiche Dekore einer Manufaktur wurden gerne von der Konkurrenz kopiert und mit leichten Abwandlungen auf den Markt gebracht.

Dennoch ist anhand des Formtyps und der Art der Bemalung klar, dass unsere Serie in die Vignier-Zeit gehört. Möglicherweise ist sie ein paar Jahr später produziert worden, aber sehr wahrscheinlich noch vor 1870. Denn da begann der Siegeszug der Lithographie und Apothekengefäße wurden nur noch in seltenen Ausnahmefällen von Hand bemalt.

In einer Online-Auktion tauchten vor ein paar Jahren Gefäße mit unserem Theaterdekor und der Angabe „LANGLOIS DÉPOSÉ“ auf, doch wir konnten am Ende nicht verifizieren, ob dieser Beschreibungstext wirklich korrekt war. Die Marke „LANGLOIS DÉPOSÉ“ gibt uns ebenso Rätsel auf, aber wir wissen von einem anderen Gefäß in unserem Bestand, dass dort hervorragende Porzellanmaler arbeiteten, die sicherlich in der Lage gewesen wären diesen relativ aufwändigen Dekor zu produzieren. Es gibt allerdings auch relativ einfache Gefäße mit dieser Marke und zu allem Überfluss auch noch eine andere Langlois-Marke mit der Adresse Rue Neuve St. Merry 9.

abgeschliffene Bodenmarke
Abgeschliffene Bodenmarke: an der Stelle, wo die Glasur fehlt, hat sich Schmutz festgesetzt

Ein weiteres Kuriosum ist, dass 11 von 21 Exemplaren scheinbar durchaus einmal eine Bodenmarke hatten, diese jedoch nachträglich abgeschliffen wurde. Es bleibt unklar was genau damit erreicht werden sollte, denn um eine übliche Praxis, die in dokumentierten Fällen zur Anwendung kam, handelt es sich dabei nicht.

Sicherlich kann man aber annehmen, dass die genaue Herkunft der Gefäße verschleiert werden sollte. Neben einer Fälschungsabsicht sind auch seriöse Motive denkbar. Beispielsweise könnte es sich um einen Produktionsauftrag handeln, der am Ende nicht bezahlt wurde. Die Unterglasurmarke des Auftraggebers hat man dann vielleicht entfernt um die Gefäße noch anderweitig verkaufen zu können. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass das Entfernen der Bodenmarke in moderner Zeit geschehen ist, um einem Händler die Möglichkeit zu geben über eine Rückdatierung teurer zu verkaufen. Tatsächlich findet sich in der Inventarliste von Valentin Mayring eine Datierung ins Empire, also die Zeit Napoleons (ca. 1800-1815). Während es sich beim Empire um einen originären Kunststil handelt, so fallen unsere Gefäße ins sogenannte zweite Empire ab ca. 1850, als viele glaubten Napoleon III. würde mit dem zweiten Kaiserreich an die Erfolge seines Onkels anknüpfen können.

Eine zweite Zeit, also eine Art Revival, liegt preislich zunächst deutlich unter dem Original, allerdings verwischt sich dieser Effekt zunehmend, je mehr Zeit vergeht. In diesem Fall ist es zweifelhaft, ob ein Alter von 200 Jahren gegenüber einem von 150 Jahren einen großen finanziellen Unterschied macht. Woher die Empire-Zuschreibung in unserer Inventarliste kommt, lässt sich heute jedenfalls nicht mehr nachvollziehen.

Somit können wir nur hoffen, dass weitere Standgefäße mit diesem Dekor auftauchen – denn dass sie existieren ist unzweifelhaft. Ob sie allerdings über eine intakte Bodenmarke verfügen oder andere Indizien mitbringen, das bleibt abzuwarten.

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